Montag, 4. November 2013

El Salmón von Fabián Casas

Fabián Casas auf seiner Terasse 2009. Foto: Timo Berger


Im Juli 2013 erscheint ein Buch in Costa Rica erneut (und erreicht mich ein paar Monate später in Berlin), das mir viele Jahre zuvor, genauer gesagt 1999, von Daniel Durand in Buenos Aires mit auf den Rückweg nach Berlin gegeben wurde. Ich hatte ein Jahr in der argentinischen Hauptstadt studiert und um den Kontakt mit der Sprache und der dortigen Dichterszene nicht zu verlieren, hatte ich Daniel Durand gefragt, welchen Gedichtband er mir ins Deutsche zu übersetzen empfehlen würde. Er stand eine Weile zögernd vor seinem selbstgezimmerten und überbordernden Bücherregal. Dann zog er zielsicher einen Band heraus: "El salmón" von Fabián Casas. Das ist, glaube ich, leicht zu übersetzen, sagte er und reichte mir den Band, der in Luis Mangieris Verlag Libros de Tierra Firme erschienen war, mit der Zeichnung eines Lachs auf dem Buchtitel. Ich kannte den Autor nicht (wie ich später erfuhr, weilte er mit einem Stipendium genau in dem Jahr, in dem ich an der Universidad de Buenos Aires Letras studierte in Iowa und nahm an dem Writer's Programm teil). Casas zu übersetzen, war natürlich nicht so leicht wie angekündigt, aber es war eine dankbare, weil mich immer wieder von neuem beschäftigende Aufgabe. Den Autor selbst lernte ich 2000 bei meiner Rückkehr nach Buenos Aires kennen und das sollte der Beginn eines wunderbaren Austauschs über den Ozean hinweg sein. 2003 las Fabián Casas mit Cristian de Napoli, Damián Ríos, Cecilia Pavón und Paz Levinson und mir in der Casa de la Poesía. 2005 war er Gast von Salida al Mar, 2006  Gast der ersten Latinale in München und Berlin, 2007 konnte ich ihn als Juror für den Preis der Anna Seghers-Stiftung vorschlagen und er begleitete uns mit der Latinale 2007 nach Hamburg, 2009 erschien bei luxbooks eine von mir übersetzte Anthologie, die Texte aus allen seinen Gedichtbänden aufnimmt, und 2011 trafen wir uns auf der Buchmesse von Guadalajara wieder. Nicht zu vergessen: das kleine Büchlein, das Lofi, im Homepublishing irgendwann zwischen 1999 und 2000 auf einem geliehenen Laserdrucker das Licht der Welt erblickte. Der mallorquinische Fotograf Biel Salas steuerte die Fotos bei.

Hier ein Gedicht und meine Übersetzung ins Deutsche:

Mientras me lavo la cara 

Darío, parado, grita y gesticula.
Bajo una frazada marrón
Daniel se ríe y habla de sus novias.
Están borrachos y los que gritan en la cocina,
como diputados,también.
Mi vieja, resucitada,
golpea las ventanas, pidiendo entrar.

Al amanecer, bajo una claridad despiadada;
cigarrillos, libros desperdigados,
platos con comida.
Camino, despacio, hasta el baño;
sé que la desgracia está sobre nosotros,
no ahora, tampoco el año próximo,
todavía somos jóvenes, pero eso
se pierde enseguida.
No tenemos nada, pienso,
mientras me lavo la cara,
ni un oficio, ni un a herencia,
ni una casa de sólida piedra.



Während ich mir das Gesicht wasche

Darío schreit und fuchtelt im Stehen.
Unter einer braunen Decke
lacht Daniel und spricht von seinen Bräuten.
Sie sind betrunken und die, die in der Küche
wie Abgeordnete schreien, auch.
Meine auferstandene Mutter klopft ans Fenster
und will reinkommen.

Bei Sonnenaufgang, in einer schonungslosen Klarheit:
Zigaretten, verstreute Bücher,
Teller mit Essen.
Ich gehe langsam bis zum Bad.
Ich weiß, dass das Unglück über uns kommt,
nicht jetzt, auch nicht nächstes Jahr.
Noch sind wir jung, aber das
verliert sich bald.
Wir besitzen nichts, denke ich,
während ich mir das Gesicht wasche,
weder einen Beruf, noch ein Erbe,
noch ein Haus aus festem Stein.



El salmón in verschiedenen Ausgaben



Fabian Casas wurde am 7. April 1965 im Stadtviertel Boedo in Buenos Aires geboren. Er veröffentlichte die Gedichtbände „Tuca“ (Bs. As., Tierra Firme, 1990), „El Salmón“ (Bs. As., Tierra Firme, 1996), „Oda“ (Bs. As., Tierra Firme, 2003) und „El Spleen de Boedo“ (Bahía Blanca, Vox, 2003). Außerdem den Roman „Ocio“ (Bs. As., Tierra Firme 2000) und die Bände mit Erzählungen „Cuatro Fantásticos“ (Bs. As., Belleza y Felicidad Tusquet 2003), „El Bosque Pulenta“ (Bs. As., Eloísa Cartonera 2003), „Los lemmings“ (Bs. As., Casa de la Poesía 2002), sowie mehrere Bände mit Essays.

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