Donnerstag, 16. Januar 2014

Juan Gelman

Juan Gelman auf der Frankfurter Buchmesse 2010. Foto: Timo Berger
Juan Gelman, geboren am 3. Mai 1930 in Buenos Aires, gestorben am 14. Januar 2014 in Mexiko-Stadt. Das erste Buch, das ich von ihm las, war "Exilio", verfasst zusammen mit Osvaldo Bayer - den ich von meiner Arbeit für das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e. V. kannte - in dem schmalen Bändchen, in dem ich von Bayer sehr viel über Berlin (wohin er während der letzten argentinischen Militärdikatur ins Exil gegangen war) erfahren, über preußische und muslimische Friedhöfe und ihr Verhältnis, etwa. In "Exilio" war auch eine Serie von Gedichte betitelt mit Unterm fremden Regen, in der Juan Gelman sein Exil in Italien lyrisch verarbeitete. Den nächsten Band, den ich las war Dibaxu, ein Versuch Gelmans das alte Judenspanisch der Sepharden für die moderne Dichtung zu reanimieren. Dann verlor ich ihn zugegebenermaßen aus den Augen. Die jungen Dichter in Argentinien hatten teilweise eine sehr polemische Haltung ihm gegenüber. Daniel Durand schrieb einen wütenden Text betitelt mit "Gelman asesino" und klagte ihn an, weil er angeblich als Mitglied der linksperonistischen Guerilla Montoneros eine Kontraofensive als Presseverantwortlicher mitlanziert hatte - bei diesem letzten Aufbäumen des Widerstands wurden viele junge Kämpfer verheizt, die meisten Kader waren längst im sicheren Ausland. Ob und wie viel Verantwortung Gelman tatsächlich trägt ist umstritten. Fakt ist aber, dass er, als er nach langen Jahren des Exils wieder nach Argentinien kam - für eine Lesung, die Fabián Casas mitorganisierte, und bei der zum ersten Mal ein junger Argentinier, von dem man später noch sehr viel hören und lesen sollte, in Berührung mit der Dichtkunst kam, die Lyrikszene wiederbelebte. Der Bruch durch das Exil und das "Verschwinden" zahlreicher rennomierter und engagierter Dichter und die innere Immigration der Verbleibenden begann sich langsam durch eine nachwachsende Generation zu überbrücken. Der Dichter und Autor, der später einen eigenen Verlag gründen sollte, hieß übrigens Washington Cucurto. Juan Gelman persönlich traf ich dann im Oktober 2010 - Argentinien war Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Ich sah ihn in den Gängen der Halle 5 im ersten Stock, hatte gerade die Kamera umgehängt und fragte ihn mit einer Geste, ob ich ihn fotografieren dürfe. Er nickte und legte den Kopf schräg. Wir sprachen nicht miteinander. Er war gerade in ein anderes Gespräch vertieft, und ich hätte in dem Moment wirklich nicht gewusst, was ich zu ihm hätte sagen sollen. Doch werde ich wohl öfters an ihn denken. An seinem Todestag, am 14. Januar diesen Jahres, wurde einer geboren, von dem noch nicht klar ist, ob er irgendwann etwas mit Dichtern, Büchern oder Verlagen zu tun haben wird: mein Sohn Jonathan Levi.Vielleicht wird er Ingenieur, wie seine beiden Großväter. Und Ingenieure werden immer gebraucht, auch in Zeiten des E-Book.