Mittwoch, 23. August 2017

Neue Bücher / Nuevos libros

Vielleicht mein liebstes Projekt dieses Jahr. Luis war von Anfang 2015 bis Anfang 2016 in Berlin als Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAADs - mit der ganzen Familie. Es lagen ja schon Übersetzungen vor - für die Latinale und für hochroth - aber als Luis in der Stadt war, entfaltete sich eine weitere Dynamik: Er wurde zu ungezählten Lesungen eingeladen. Bei einer, in Haussach im Schwarzwald traf er dann auf seinen künftigen Verleger, Hans Schiler. Der hatte schon Bücher der Latinale-Autorin der ersten Stunde Rocío Cerón verlegt. Peter Holland half, das Projekt abzurunden, den ein oder anderen Text, in den wir uns aus unerklärlichen Gründen verliebt hatten, doch außen vor zu lassen, und die Übersetzungen noch einmal im Lichte der Gesamtauswahl zu überarbeiten. Die Anthologie schließt für mich einen Zyklus ab, der damit begonnen hatte, Luis in Buenos Aires kennenzulernen. Eigentlich weiß ich gar nicht mehr so genau, wann wir Freundschaft schlossen - aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig. Wir konnten es jedenfalls Mitte Februar in der Lettrétage vorstellen.
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Mit Martín Gambarotta (und zwei anderen Dichter*innen: Cecilia Pavón und Ezequiel Zaidenwerg) bin ich 2009 im Auftrag des Goethe Instituts Buenos Aires zu einer mobilen Schreibwerkstatt aufgebrochen. Mein Vorschlag war, die Gründungsnarrative Argentiniens neu zu beleuchten. Ein Buch, das zu den Klassikern des südamerikanischem Landes zählt, ist "El Matadero" (Der Schlachthof) von Esteban Echeverría. Argentinien war seinerzeit ein bedeutender Fleischproduzent. Doch als wir auf den Laufwegen über dem ehemaligen Schlachthof standen, wo bis heute Kühe am frühen Morgen meistbietend versteigert werden - aber nicht mehr getötet (das passiert nun in Schlächtereien in der Provinz Buenos Aires) fühlten wir uns kurzzeitig an ein Konzentrationslager erinnert. Wir schluckten. Sahen unter uns einen Gabelstapler der eine Kuh, die im Gemenge gefallen und umgeknickt war, hinausbeförderte. Eine Pseudokuh, die es nicht schaffen wird in den wahren Schlachthof, die auf halber Strecke verendet. Während Cecilia Pavón ein Langgedicht aus der Erfahrung schöpfte, sagte mir Martín schon im Café in Mataderos, wo wir uns stärkten, er würde allenfalls ein, zwei Motive, Splitter finden. Um mir später zu mailen, er habe zwei Verse geschrieben, um ein längeres Gedicht zu beenden. Immerhin etwas. "Pseudo", erschienen jüngst bei brueterich press, ist ein Langgedicht in Fragmenten, sprach- und geschichtskritisch. Im September ist Martín Gambarotta dank des Argentinischen Außenministeriums in Berlin und wird den Band am 15. im Literaturhaus, am 23. im Café Plum und am 19. in Hamburg im Chile-Haus vorstellen.

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Sergio Raimondis Band "Poesía Civil" wiederzuveröffentlichen, war mir ein Herzensangelegenheit, nachdem das Buch, zuerst erschienen 2005 bei wvb, vergriffen war. Peter Holland ermunterte mich weitere Gedichter des Originalbands ins Deutsche zu übersetzen und die bereits bestehenden Versionen zu überarbeiten. Sein Wechsel von hochroth zu Reinecke & Voss gab dem Wunsch meine allerersten in Buchform erschienen Übersetzungen nochmal "anzufassen" eine Perspektive. Wir trafen uns in Cafés und Kneipen und Schöneberg und Friedenau und steckten die Köpfe zusammen - ein Jahr lang. Und am Ende ludt das Haus für Poesie Sergio Raimondi zum Poesiefestival Berlin ein und erlaubte im Nachgang eine Tournee, auf der wir die erweiterte Neuausgabe in Frankfurt, Stuttgart, Osnabrück und Wien vorstellen konnten. Sergio bekam einen ersten Eindruck von der deutschen Provinz - er selbst stammt ja nicht aus Buenos Aires, sondern aus der Hafenstadt Bahía Blanca, am Atlantik gelegen. Sergio mochte seltsamerweise das zerbombte und wiederaufgebaute Stuttgart, den Ausflug nach Österreich. Er wird bald - 2018 - Gelegenheit haben, noch mehr durch Mitteleuropa zu reisen. Das Berliner Künstlerprogramm des DAAD hat ihn für ein Jahr nach Berlin eingeladen.