Sonntag, 4. August 2013

Karateka von Clara Muschietti

Clara Muschietti. Foto: Estela Fares

Heute erreichen mich zwei Bücher, die sowohl die Absenderin als auch ich schon als verschollen wähnten. Gut sechs Wochen waren sie unterwegs, lagen vermutlich als "verdächtige" Einschreiben (Zertifiziert) beim Zoll. Keiner kann sagen ob auf dem diesigen oder dem hiesigen Ufer des Atlantiks. Trotz dieser langen Verweildauer im Trockendock konservieren die Gedichtbände - einmal aus dem Umschlag gezogen und aufgeschlagen - dennoch Erinnerungen. Das eine Buch, veröffentlicht 2007, riecht nach einer alten, vollgestapelten Bibliothek, die Seiten sind feucht und mir schlägt unvermittelt Modergeruch entgegen. Das andere duftet wie eine frisch gewischte Küche, das typische artifiziell-scharfe Putzmittel der aufstrebenden (und daher besonders hygienebewussten) Mittelschicht. Ein ganzer olfaktorischer Kosmos tut sich auf und ich habe noch keinen Vers in den beiden Bänden gelesen! Wie mag die Autorin wohl sein? Wie ist ihre Wohnung, ihre Bibliothek? Wie geht sie mit Büchern um? Kocht sie viel und gerne oder bestellt sie alles beim Chinesen oder Peruaner um die Ecke? Hat sie eine Femme de Ménage mit einer Vorliebe für aggressive Grundputzmittel oder räumt sie selbst auf? Wir kennen uns nicht persönlich, aber wie heutzutage so oft, wurden einander durch gemeinsame Freunde empfohlen: "Das musst du unbedingt lesen, sonst bist du out". Und in der Tat: Hatte ich einmal die Geruchsschranke überwunden, hörte ich nicht auf Clara Muschietti zu lesen und übersetzte schon bald (in progress) das erste Fragment eines Zyklus aus "Karateka", das im Anschluss wiedergegeben wird.


Taquicardia

No puede haber viento más fuerte que este.
Afuera las hojas revueltas, adentro
la certeza: todo esto va a terminarse.

Nos vamos, en algún momento vamos a irnos. Y por ahora
sólo dejamos gran parte de nuestra cabellera oscura

en una peluquería moderna. No queríamos.

No sabemos si correr o quedarnos,
no sabemos si mentías.
No sabemos si mentíamos.

Ese gato me acompaña indiscriminadamente, le agradecemos tanto pero
él nos agradece su conversión doméstica,
techo y comida a cambio de ser una pequeña sombra blanca de mi cuerpo
que también es blanco y pequeño.

Pensamos en las peores enfermedades,
y lloramos,
nos miramos el cuerpo meticulosamente
nos examinamos con rigor sin ciencia
ya estamos seguras
vamos a morirnos.

Si llegamos a viejas vamos a estar agradecidas.
Si mañana sale el sol vamos a estar agradecidas.
Si mañana la casa queda sin catástrofe vamos a estar agradecidas.
El cuerpo pesa menos se lo atribuimos a la enfermedad que nos atribuimos.

Más miedo tenemos, más amamos la vida.

A lo lejos unas figuras humanas,
no distingo a nadie, no hay nombres
ni fechas de nacimiento,
¿serán mis hermanos?

De muy cerca las caras se deforman,
se vuelven accesibles.
Tu cara está, cuando me levanto está, cuando me acuesto está,
cuando duermo está. Tu cara de lejos,
mi cuerpo de lejos me resulta
irreconocible, las imágenes que me diste
me distrajeron, se nos veía realmente felices.
De cerca soy yo, de lejos parezco mi madre.

No podemos saber si esto va a durar, no podemos saber hasta qué día,
en qué hora exacta vamos a despedirnos.
El día que caigamos definitivamente va a ser uno,
no sabemos cuál. Ojalá haya sol
y que estemos todos grandes.

No puede haber sol más fuerte que éste,
mi piel se enrojece, mi corazón ya estaba.
Ahora parecemos todos grandes, madre
y usted no se parece a la de las fotos,
nosotros todavía nos adivinamos en esa gente de vida corta.

La verdad de los corazones es improbable.
No sé si a la noche, cuando estoy sola
en la cama, tengo taquicardia, no sé si es eso
o es el eco de mi vida retumbando en el silencio.

No hay suelo más seguro que este.
Cuerpo a tierra.
Al ras del mundo, todos los pies son demasiado lo mismo.

Entraste a la pieza y me dijiste “estás acostada”
quise decirte que estaba aplastada pero no me pareció prudente. Fingí dormir.
Te fuiste caminando muy lento, sin hacer ningún ruido, como
negando la propia vida.
Te lo quise agradecer pero tenía que seguir dormida, si no ibas a pensar que habías fallado.

De tarde dormir es otra cosa.


Herzjagen

Es kann nicht noch schlimmer stürmen.
Draußen die aufgewirbelten Blätter, drinnen
die Gewissheit: All das geht vorüber.

Wir werden gehen, irgendwann werden wir gehen.
Und jetzt
trennen wir uns erst mal von dem Großteil unserer schwarzen Haare
bei einem hippen Friseur. Wir wollten es nicht.

Wir wissen nicht, ob wir davonrennen sollen oder bleiben,
wissen nicht, ob du gelogen hast.
Wir wissen auch nicht, ob wir gelogen haben.

Dieser Kater weicht nicht von meiner Seite – egal was passiert, wir sind ihm so dankbar aber
er dankt uns mit seiner Verwandlung zum Haustier,
Dach und Futter im Austausch dafür, ein kleiner
weißer Schatten meines Körper zu sein,
der ebenfalls weiß und klein ist.

Wir durchstehen die schlimmsten Krankheiten,
und weinen,
wir betrachten unsere Körper eingehend
wir untersuchen uns sorgfältig und ohne Sachverstand
und sind uns sicher
wir werden bald sterben.

Wenn wir dennoch alt werden, werden wir dankbar sein.
Wenn Morgen die Sonne herauskommt, werden wir dankbar sein.
Wenn sich Morgen Zuhause keine Katastrophe ereignet, werden wir dankbar sein.

Der Körper wiegt weniger,
wir führen es auf die Krankheit zurück, die wir uns andichten.
Umso mehr Angst wir haben, desto mehr lieben wir das Leben,

In der Ferne einige menschliche Gestalten,
ich erkenne niemanden, es gibt weder Namen
noch Geburtsdaten,
sind es meine Geschwister?

In nächster Nähe verformen sich die Gesichter,
werden greifbar.
Dein Gesicht ist da, wenn ich aufwache, wenn ich mich hinlege,
wenn ich schlafe. Dein Gesicht in der Ferne,
mein Körper in der Ferne ist
nicht wiederzuerkennen, die Bilder, die du mir gabst,
lenkten mich ab, man hielt uns für glücklich.
Aus der Nähe bin ich es, aus der Ferne sehe ich wie meine Mutter aus.

Wir wissen nicht, ob das andauern wird, wir können
nicht wissen an welchem Tag,
zu welcher Stunde genau wir uns verabschieden werden.
Der Tag, an dem wir endgültig abnippeln werden, wird ein Tag sein,
aber wir wissen nicht welcher. Hoffentlich scheint die Sonne
und wir sind alle schon alt.
Die Sonne kann nicht stärker scheinen als heute,
meine Haut wird rot, mein Herz war es schon.
Jetzt sehen wir alle alt aus, Mutter,
Sie sehen nicht so aus wie die auf den Fotos,
wir wähnen uns immer noch in diesem Leuten mit kurzen Leben-

Die Wahrheit der Herzen ist unwahrscheinlich.
Ich weiß nicht, ob ich nachts, wenn ich allein im Bett
liege, Herzjagen habe, ich weiß nicht, ob es das ist
oder der Widerhall meines Lebens in der Stille.

Es gibt keinen festeren Boden als den hier.
Körper auf der Erde.
Auf der Höhe der Welt sind alle Füße viel zu sehr dasselbe.

Du kamst ins Zimmer und sagtest: „du schläfst ja“
ich wollte sagen, ich bin nur platt, aber ich hielt es für keine gute Idee. Tat so, als ob ich schliefe.
Du bist sehr langsam gegangen, ohne eine Geräusch zu machen, als
ob du das Leben selbst negiert hättest.
Ich wollte dir danken, musste mich aber weiter
schlafend stellen, sonst hättest du gedacht, du hättest versagt.
Es ist was anderes zu schlafen, wenn es spät ist.




Clara Muschietti wurde 1978 geboren. Sie ist Fotografin, Autorin und Schauspielerin. Sie hat zwei Gedichtbände veröffentlicht “La campeona de nado” (iRojo, Buenos Aires, 2007) und „Karateka“ (El fin de la noche, Buenos Aires, 2010). Gedichte von ihr erschienen in der Anthologie „Poetas argentinas 1968-1980“ (ediciones del dock, Buenos Aires, 2007).

Weiterführende Links:
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